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Anita Borer gibt Ratspräsidium nach einem Jahr weiter

«Nicht diejenigen sind zu fürchten, die anderer Meinung sind, sondern diejenigen, die anderer Meinung sind, aber zu feige, es zu sagen.» Mit diesen Worten begann Anita Borer im Gemeinderatssaal ihre Rede zum Abschluss der einjährigen Amtsdauer als Gemeinderatspräsidentin, welche am Montag, 9. Mai 2022, endete.

Anita Borer anlässlich der Wahl zur Gemeinderatspräsidentin im April 2021.

Liebe Gemeinderätinnen, liebe Gemeinderäte
Liebe Stadträtinnen, liebe Stadträte
Sehr geehrte Vertreter der Presse
Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer

Was Napoleon schon wusste, wissen auch wir. So sagte ich vor einem Jahr bei meiner Antrittsrede, wie wichtig ich die Meinungsfreiheit als Teil unserer direkten Demokratie finde. Die Ereignisse der letzten Wochen haben wieder einmal gezeigt, dass die freie Meinungsäusserung noch bei Weitem nicht selbstverständlich ist.

Alle, die hier im Gemeinderat sitzen, sind zum Glück nicht feige, die eigene Meinung zu sagen. Und: wir dürfen es auch, ohne dafür verurteilt zu werden. Über zahlreiche Geschäfte konnten wir im letzten Jahr sehr kontrovers diskutieren. Ihr alle habt eure Meinung dazu eingebracht.

Heute ist meine letzte Ratssitzung als Ratspräsidentin. Entsprechend möchte ich den Bogen schliessen und meine Meinung sowie meine Eindrücke zum vergangenen Ratsjahres mit euch teilen. Zur besseren Übersicht und um Langeweile vorzubeugen, habe ich für meine Abschiedsrede drei Aufhänger genommen.

Es sind dies:

  1. Chuck Norris
  2. Wahlkampf
  3. Traditionen

Chuck Norris

Beginnen wir bei Chuck Norris. Er steht stellvertretend für die humorvollen Voten im Gemeinderat und er zeigte mir: Trotz der vielen langen Sitzungen habt ihr den Humor nicht verloren. Politik ist meist ernst, das ist uns allen klar. Gerade deshalb ist es schön, wenn zwischendurch auch Humor seinen Platz hat. Und seien wir ehrlich, gewisse Vorstösse und Voten durften durchaus mit Humor genommen werden.

Der Umgang untereinander war anständig und respektvoll und die Voten waren meist kurz. Ein grosses Kompliment und herzlichen Dank dafür.

Mein Wunsch für die Zukunft ist es, dass wir in der Sache weiterhin heftig diskutieren können, uns jedoch nicht persönlich für unsere Meinung diskreditieren und es auch mal mit Humor nehmen können.

Wahlkampf

Kommen wir zum zweiten Punkt, zum Punkt Wahlkampf. Warum erwähne ich diesen? Genau, weil auch dieser Punkt mit unserer Demokratie zu tun hat und weil der Wahlkampf auch mein Ratsjahr dominiert hat.

Viele Vorstösse, lange Sitzungen, viel Präsenz und angespannte Nerven – wir alle haben den Wahlkampf gespürt. Und, meine Damen und Herren, trotz der grossen Anstrengung: ich habe ihn genossen. Der Wahlkampf hat dazu geführt, dass ich noch mehr als sonst unterwegs war, mit den Leuten in Kontakt kam und interessante Gespräche führen konnte.

Für mich hat sich Folgendes bestätigt:

  1. Die wahren Sorgen und Anliegen der Leute erfährt man nur im persönlichen Gespräch.
  2. Wahlkampf wird überschätzt. Als Politikerin oder Politiker muss man bereit sein, stetig den Kontakt mit den Leuten zu suchen, die Sorgen der Leute aufzunehmen und öffentlichkeitswirksam Antworten zu geben.
  3. Wer wählt, bestimmt mit. Umso erschreckender ist die relativ tiefe Wahlbeteiligung. Es muss uns gelingen, diese in Zukunft wieder zu erhöhen. Wir alle sind gefragt.

 Traditionen

Und so komme ich zum Punkt 3, Traditionen: Auch wenn wegen der Corona-Pandemie noch nicht gleich viel los war wie in einem «Normaljahr», konnte ich an ein paar interessanten Traditions-Anlässen teilnehmen. Alle Einladungen, die ich erhalten habe, konnte ich wahrnehmen.

Selbst reden durfte ich am Bürgerpanel, an der Bundesfeier und am Ustertag. Zudem habe ich die Feier des Kantonsratspräsidenten, den Neuzuzüger-Apéro, die Vereidigungs-Zeremonie der Stadtpolizei, die Entlassungsfeier der Militärdienst-pflichtigen und die Feuerwehr bei der Übergabe ihrer neuen Drehleiter besucht.

Fast alle diese Feiern und Zeremonien sind mit Traditionen verknüpft. Einmal mehr konnte ich erfahren, wie wichtig Traditionen sind. Denn Traditionen weiterzuführen heisst, sich – durchaus auch kritisch – mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und daraus für die Gegenwart und Zukunft zu lernen.

Traditionen zu pflegen heisst, sich an die dahinterstehende Geschichte und entsprechende Errungenschaften zu erinnern. Traditionen aufrecht zu erhalten, heisst auch, Gemeinsamkeiten zu feiern. Gemeinsamkeiten, die enorm wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind.

Meine Damen und Herren, auch das Gemeinderatspräsidium hat Tradition. Was ich leider feststellen musste ist, dass diese Tradition immer mehr in den Hintergrund rückt. An dieser Stelle möchte ich auch nochmals Bezug nehmen auf meine Antrittsrede, in welcher ich sagte, dass ich den Gemeinderat der Bevölkerung näherbringen möchte.

Kritisch beurteilt muss ich sagen, dass ich das Ziel nicht ganz erreicht habe. Dies ist sicher einerseits dem Umstand geschuldet, dass es weniger Veranstaltungen und Gelegenheiten zum Austausch gab.

Andererseits habe ich festgestellt, dass das Gemeinderatspräsidium – stellvertretend für den Gemeinderat – nur an wenige Anlässe offiziell eingeladen wurde. Im Vergleich zu den Erzählungen früherer Präsidentinnen und -präsidenten hat das Amt stark an Bedeutung verloren.

Bitte verstehen Sie mich richtig, bei dieser Feststellung geht es mir nicht um mich persönlich, sondern um das Amt und die Tradition als solches.

Ich wünsche ich mir, dass wir uns wieder vermehrt an die Funktion des Gemeinderatspräsidiums erinnern. Dass wir es als Vertretung des von der Ustermer Bevölkerung gewählten Gemeinderats, als Vertretung der Ustermer Bevölkerung und Teil unserer Demokratie anerkennen.

Ich wünsche mir diese Wertschätzung für die noch folgenden Gemeinderatspräsidentinnen und -präsidenten und für uns alle, die uns mit viel ehrenamtlichem Engagement für die Politik und die Demokratie engagieren.

 Abschluss

Abschliessend danke ich euch allen herzlich dafür, dass ihr mich als Ratspräsidentin respektiert und durch den korrekten Umgang untereinander zu einem würdigen Ratsbetrieb beigetragen habt.

Ein grosses Dankeschön geht auch an Daniel Reuter und Monika Füllemann, die mich bei den Vorbereitungen immer kompetent und tatkräftig unterstützt haben. Die enge Zusammenarbeit mit euch habe ich sehr geschätzt. Der Montagnachmittag-Austausch mit euch wird mir fehlen.

Auch tausend Dank an meine Fraktion. Ihr habt es erst möglich gemacht, dass ich als Ratspräsidentin amtieren durfte. Und ihr habt ein Jahr lang auf meine Stimme und mithilfe bei den Referaten im Rat verzichtet.

Für jede Sitzung erhielt ich eine Flasche wunderbaren Rotwein von euch. Vermutlich dachtet ihr, ich bräuchte das jeweils nach den Sitzungen. Offen gesagt, brauche ich es jetzt vermutlich viel eher, wenn ich wieder bei euch unten sitze und ich merke, dass auch meine Stimme für die Mehrheit meistens nicht reicht.

Und zu guter Letzt möchte ich auch nochmals meiner tollen Familie danken. Ich habe sehr grosses Glück, euch zu haben.

Schliessen möchte ich mit einem Zitat von Benjamin Franklin, US-amerikanischer Staatsmann – für mich ein wichtiger Grundsatz für unsere Demokratie und Souveränität:

«Was hilft es, sich bessere Zeiten zu wünschen und zu hoffen? Ändert euch selbst, dann ändern sich die Zeiten.»

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